Artikel RGA: Auf den Spuren der Sinti und Roma im Bergischen

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Aktualisiert: 04.03.18 14:35

BERGISCHES LAND Mehrere Initiativen luden zu einer Busreise zu historisch relevanten Schauplätzen in Wuppertal, Solingen und Remscheid ein.

Von Andreas Erdmann

Vor 75 Jahren, am 3. März 1943, wurden aus Wuppertal, Solingen und Remscheid über 202 Sinti- und Roma-Angehörige in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert, darunter 103 Kinder. Von den Bahnhöfen Solingen-Ohligs und Wuppertal-Unterbarmen aus erreichten sie Auschwitz am 9. März.

„Die große Mehrzahl von ihnen wurde direkt ermordet oder fiel den entsetzlichen Lebensbedingungen und Seuchen zum Opfer. Bis 1945 kamen in Europa mehr als eine halbe Million Sinti und Roma durch den Völkermord der Nazi-Diktatur zu Tode.“ Dies berichtete der Wuppertaler Historiker Stephan Stracke auf einer Exkursion zu den „Spuren der Sinti und Roma im Bergischen Land“, an der ich am Samstag in einer Gruppe von 40 Interessierten teilnahm.

Beginnend am Deportationsbahnhof Unterbarmen, steuerten wir mit einem Reisebus eine Reihe historisch relevanter Orte an. Die Fahrt gehörte zu einer Reihe von Veranstaltungen zum 75. Jahrestag der Deportation, zu der die Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz, das Solinger Bündnis für Toleranz und Zivilcourage und Remscheid tolerant eingeladen hatten. Sie wurden unterstützt von den Oberbürgermeistern Andreas Mucke (Wuppertal), Tim Kurzbach (Solingen) und Burkhard Mast-Weisz (Remscheid).

Die erste Station war der Standort des früheren Wohnhauses der in den 1930er Jahren weithin bekannten Artistenfamilie Paßquali, die in Auschwitz ermordet wurde. Im Anschluss ging es zu Standorten sogenannter „Zigeunerlager“. „In diese wurden die Sinti und Roma schon Mitte der 1930er Jahre abgeschoben, wo sie unter ständiger Kontrolle der Kriminalpolizei standen“, erklärte Stephan Stracke.

Zeitzeugen hatten noch lebhafte Kindheitserinnerungen

Zeitzeuge Gunter Urspruch hat noch lebhafte Kindheitserinnerungen an die drei Lager im Ronsdorfer Blombachtal. „Die Menschen durften hier nur 48 Stunden lang mit ihren Wagen campieren. Dann mussten sie weiterziehen.“ „Wir deutschen Anwohner waren mit den Lagerbewohnern eng befreundet“, berichtete Zeitzeuge Friedel Pitscher vom Barackenlager an der Klauser Straße. „Wir lebten, lachten, feierten gemeinsam, doch in einer Nacht- und Nebelaktion wurden alle Roma schlagartig abtransportiert von der SS.“

Sängerin und Autorin Bluma Meinhardt wurde im dortigen Lager geboren. „Mein Vater kehrte als Überlebender, aber schwerst gebrochener Mann hierhin zurück. Es war seine Heimat.“ Neben den Lagern am Klingholzberg und am Gründerhammer sowie dem Wuppertaler Polizeipräsidium als dem zentralen Ort der damaligen NS-Verfolgung, fuhren wir den alten Pferdestall der früheren Remscheider Polizeikaserne an. „In dem Stall wurden Verfolgte, Kranke, Behinderte bis zur Deportation unter unwürdigen Bedingungen eingesperrt“, sagte Bezirksbürgermeister Otto Mähler. „Wir haben gerade im Rat beschlossen, den Stall als Gedenkstätte für alle verfolgten Minderheiten zu erhalten. Das Land muss noch zustimmen.“

GESCHICHTE

MENSCHENRECHTE Sinti und Roma wurden jahrhundertelang drangsaliert und verfolgt. Erst durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Jahr 1948 und die des Grundgesetzes ein Jahr später wurden aus dem Begriff der unantastbaren Würde des Menschen Grundrechte abgeleitet, nach denen Benachteiligung aufgrund von Herkunft widerrechtlich ist.

Letzter Halt der Tour war die Solinger Gedenkveranstaltung am Alten Markt. Dort gestalteten die Initiative S.O.S. Rassismus und der Solinger Apell eine Kundgebung mit Mahngang zum Sinti- und Roma-Mahnmal an der Korkenziehertrasse in Nähe des früheren Barackenlagers Potshauserstraße. Dort forderte der 1. Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, Roman Franz, in seiner Rede, „Konsequenzen aus der Geschichte zu ziehen.“ Es gehe gerade auch heute, in politisch unruhigen Zeiten darum, „die Demokratie und Vielfalt unserer Gesellschaft zu wahren und die Würde jedes Menschen zu schützen.“ Dabei trage Deutschland eine „besondere Verantwortung zum Schutz der Minderheit der deutschen Sinti und Roma und derer in vielen Ländern Europas, die starker Diskriminierung ausgesetzt sind.“

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