Rede von Dieter Nelles zur Veranstaltung am 30. Januar

Wir wollen in diesem Jahr mit einer Ausstellung, Publikation, Stadtwanderungen und Vorträgen an die Opfer des nazistischen Terrors 1933 in Wuppertal erinnern

In Wuppertal wurden 1933 1 Frau und 19 Männer durch die SA und die SS ermordet. Hinzu kommen die mehreren Hundert Menschen, die auf offener Straße angeschossen, bei Hausdurchsuchungen verletzt sowie in den SA und den SS- Unterkünften und Polizeigefängnissen und ab Juni 1933 im KZ Kemna gefoltert oder in den Selbstmord getrieben wurden.

Wer waren die Ermordeten?

Der größte Teil von ihnen gehörte der KPD und dem kommunistischen „Kampfbund gegen den Faschismus“ sowie dem sozialdemokratisch dominierten, republikanischen Wehrverband „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold an, die vor 1933 in gewalttätige Auseinandersetzungen mit der SA und SS verwickelt waren.  Die SA und SS nahmen dafür blutige Rache.

Das erste Todesopfer war am 7. März 1933 das jüdische Reichsbannermitglied Oswald Laufer, der in der Wilhelmstrasse erschossen wurde.  Juden wie Laufer, die Aktivisten und Sympathisanten der Linken waren, galt der besondere Hass der Nazis. Am 5. März, dem Tag der Reichstagswahl, wurden sie in einer konzertierten Aktion von der SA überfallen. Der Zahnarzt Dr. Alfred Meyer wurde am 16. Mai von der SA ermordet und seine Leiche in der Bever versenkt. Sein Stiefsohn Dr. John Goldsmith, lebt 98-jährig in Liverpool. Von ihm wir werden gleich noch ein Grußwort hören.

Der Terror richtete sich aber nicht nur gegen Linke und Juden, sondern konnte alle treffen, die sich gegen die SA stellten. Der Katholik Josef Lessmann erlitt nach einer Auseinandersetzung mit SA-Männer einen Bauchschuss, weil er nicht den Hitlergruß erwidert hatte. Er überlebte nur mit Glück wie viele andere.

Derr Terror konnte auch gänzlich Unbeteiligte treffen. Margarete Quindt wurde am 29. März zufällig von Kugeln von drei SS-Männern getroffen, deren Angriff sich gegen Antifaschisten richtete.

Warum wissen wir nur wenig über die Ermordeten?

Über die Opfer des Terrors 1933 in Deutschland 1933 gibt es nur ungefähre Schätzungen. Neuere Arbeiten gehen von 500 bis 1000 Toten aus.

 In Wuppertal kennen wir zwar die Anzahl der Ermordeten und auch ihre Namen, aber über viele existieren nur bruchstückhafte Informationen, die wie ein Mosaik zusammengesetzt werden müssen. Ein bemerkenswertes Dokument ist aber

erhalten geblieben, der Erinnerungsbericht von Maria Runkel aus dem Jahre 1948. Diese führte das Arbeiterlokal „Zum Reichsbanner“ in der Blumenstrasse in der Elberfelder Südstadt, die man heute als „braune Zone“ bezeichnen würde. Die NSDAP hatte dort Wahlergebnisse von 50%.

„Seit meiner Jugend“, schrieb Maria Runkel, „habe ich mich (…) als Sozialistin für die Lehren von Karl Marx eingesetzt“. In ihrem Lokal habe sie „brüderliche Vereinigung zwischen Reichsbanner und Kampfbund auch gegen den Willen der SPD und der Reichsbannerführung zustande gebracht“

„Diese gemeinsame Kampffront gegen den Faschismus war in der damaligen Zeit unser einziger Schutz bei allen Überfällen auf unser Lokal. Viele brave Genossen haben diesen Einsatz mit ihrem Leben bezahlen müssen, u.a. Fritz Merseburg, Heini Born, der kleine Jude Laufer und mehr. Alle diese waren Tag und Nacht in meinem Lokal. Groß ist die Zahl derer, die ich in diesen Tagen vor 1933 unentgeltlich verpflegt habe. Bei Überfällen der SA und SS auf den „Stützpunkt“ Süd in meinem Lokal, habe ich mich aktiv an der Abwehr beteiligt und einmal in höchster Gefahr zur Pistole gegriffen (…)

1933 war das Leben für uns die reine Hölle. Überfälle und Verfolgungen der besten Genossen waren an der Tagesordnung. Viele dieser Braven fanden bei mir Schutz und Hilfe in diesen Tagen. (…) Am 2. März wurde das Lokal gestürmt, mein Sohn an die Wand gestellt und mit Erschießung bedroht.“

Nachdem Maria Runkel sich geweigert hatte, am 1. Mai die Hakenkreuzflagge zu hissen, wurde das Lokal „gestürmt, geschlossen und versiegelt“. Die Anwesenden wurden verhaftet und in das SA-Lokal in der Aue gebracht. Maria Runkel erlitt durch die Misshandlungen einen schweren Nervenzusammenbruch. Nach 14 Tagen wurde sie halbseitig gelähmt aus der Gefangenenabteilung des Barmer Krankenhaus entlassen. Bis 1945 musste sie sich mühsam durchschlagen, was sie aber nicht davon abhielt ihre jüdischen Nachbarn bis zur Deportation zu unterstützen.

Schade, dass es nicht mehr Maria Runkels gegeben hat, die außerordentlich Mut und politischen Weitblick gezeigt hat  und die feinsten Traditionen der deutschen Arbeiter:innenbewegung verkörpert. Und hoffen wir dass es viele Maria Runkels im Kampf gegen die neuen Nazis gibt.

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